Das Projekt Al Halqa

Der Djemaa El Fna, der „Platz der Gehenkten“ in Marrakesch, ist der großartige Schauplatz von täglich neu entstehenden, abwechslungsreichen zirzensischen Darbietungen (Akrobatik, Tanz, Gesang, Geschichtenerzählen, Zauberei, Wahrsagerei). Es ist ein patchwork von ständig sich erneuernden Traditionen, die heute mit Recht zum „immateriellen Weltkulturerbe“ (UNESCO) gerechnet werden. 

Begonnen wurde das Gesamtprojekt mit dem Dokumentarfilm „Al Halqa, Im Kreis der Geschichtenerzähler“, der sich auf die Vermittlung der Erzählkunst von Vater auf Sohn konzentriert. Der Dokumentarfilm wurde 2010 mit Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien fertig gestellt und läuft seitdem erfolgreich auf nationalen und internationalen Filmfestivals und wurde bislang mit 2 Preisen ausgezeichnet. 

Als Folgeprojekt konnte 2011 die kinetische Raumskulptur „Al Halqa Kinetics“ im Haus der Kulturen der Welt in Berlin mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes realisiert werden. Diese Installtion war gewissermaßen die technische und technologische Übersetzung, eine ‚Materialisierung’ der reichhaltigen immateriellen Künste der Gaukler auf einem virtuellen Platz. 

Mit dem „virtuellen Museum Djemaa El Fna“ soll das Gesamtprojekt abgeschlossen werden. Sämtliche bislang gesammelten Informationen, gedrehte Filme, aufgezeichnetes Audio-Material, Texte, Fotos, etc. sollen an einem Ort zusammengeführt und für jeden Menschen mit Internetzugang zur Verfügung gestellt werden. Neben einer browser-basierten Internet-Plattform sollen darüber hinaus Apps entwickelt werden, mit denen man direkt vor Ort auf dem realen Marktplatz mit Smartphones oder Tablets das virtuelle Pendant des Museums abrufen kann. Der physische Ort wird damit selbst zum virtuellen Museum.
 

> mehr Infos auf der Projektwebsite: www.alhalqa.com

Dokumentarfilm

Al Halqa - Im Kreis der Geschichtenerzähler

2010, Dokumentarfilm, 90 min.

Synopsis:
 
Auf dem Platz Djemaa El Fna in Marrakesch erzählt Abderahim El Maqori Geschichten, die er seit seiner Kindheit mit Herz und Geist gesammelt hat. Jetzt, da er älter wird, bringt er seinem Sohn die Kunst eines sterbenden Handwerks bei. In der Halqa, dem Kreis der Geschichtenerzähler, lernt der Junge das Erzählen und erntet mitunter harsche Kritik von seinem Vater.
 
Als Zoheir bereit ist, die traditionelle Lehrreise zu begehen, fahren die beiden nach Fez. In der intellektuellen Hauptstadt Marokkos wird er dem ultimativen Test auf dem großen Marktplatz unterzogen. Die Kamera folgt dem Paar auf seiner Reise, die mit Geschichten von Geistern, Königen, Schustern und Tieren untermalt ist. Es besteht eine besondere Verbindung zwischen Vater und Sohn, deren Meinungen ganz sicher nicht immer übereinstimmen.

Zoheir muss einen eigenen Stil für eine neue Generation von Zuhörern finden, die nicht nur von lang vergangenen Tagen, sondern auch von Dingen wie AIDS hören will. Im Übrigen sind die Halaiqis nicht die Einzigen, die die Tradition ihres Volkes erhalten wollen. Zoheirs Lieblingsschauspieler Mohammed Hassan El Joundi erklärt, warum er in seinem Studio Geschichten aus vergangenen Epochen aufnimmt: Geschichten erziehen die Menschen und lehren sie ihren Ambitionen und Träumen zu folgen.

Der Film wurde gefördert von:

Kinetische Raumskulptur

Al Halqa Kinetics

Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt Berlin, 2011
In Zusammenarbeit mit Hannes Nehls

Installationsbeschreibung
 

Installationsbeschreibung Auf dem sehr belebten großen Platz Djemaa El Fna in Marrakesch – dem Platz der Gehenkten – fließen die unterschiedlichsten Strömungen von vitalen, archaischen Überbleibseln der immateriellen Künste zusammen; der Platz ist ein wahres Auffangbecken, ein Konzentrat der mündlichen und gestischen Überlieferungen, wie sie vormals in ganz Marokko verbreitet waren. Hier haben sie sich am längsten und relativ ungebrochen erhalten.

Die begehbare interaktive Raumskulptur von Thomas Ladenburger und Hannes Nehls transformiert diese Darbietungen und macht sie mithilfe der Technologien von Projektion, Licht, Film und Akustik gegenwärtig und neu erfahrbar. Die performativen Darbietungen, und in gewisser Weise der Platz selbst, erfahren durch die Installation eine virtuelle Wiederauferstehung und Neubelebung. Die Installation wird vorläufig in Berlin und Paris gezeigt werden.

Der Besucher betritt einen großen dunklen Raum, indem unzählige strahlende Stoffbahnen scheinbar frei schwebend flanieren. Es sind schmale Bahnen eines leichten, doch groben Stoffes, der an traditionelle marokkanische Kleidung, die Fokiah oder Djellaba erinnert.

Elegant und präzise schweben diese Bahnen durch den Raum, als würden sie einer fremd bestimmten Choreographie folgen. Aus der Tiefe des Raumes erklingen Töne: Momentaufnahmen der Halqas des Djemaa El Fna. Wie der Besucher selbst, richten sich diese beinahe erhabenen Bahnen auf den Ursprung des Klanges, wandern gemächlich in dessen Richtung und reihen sich ein in den Kreis einer nicht-existenten Zuhörerschaft, ganz so, als würden sie zuhören.

Nähern sich diese Stoffbahnen dem klanglichen Nukleus, bringen Projektionen von Bewegtbildern sie zum leuchten. Bildwelten von den Halqas des Djemaa El Fna reflektieren an ihrer Oberfläche. Auch der Besucher selbst geht auf Tuchfühlung. Er ist eingeladen, die Tücher zu berühren und sich einen Weg durch sie hindurch zu bahnen. Die einzelnen Stoffbahnen interagieren mit ihm. Sobald er an sie herantritt oder gar berührt, weichen sie zur Seite, machen ihm den Weg frei oder öffnen den Blick in die Mitte des Kreises, zur Tonquelle und Projektion.

Wie der Platz Djemaa El Fna in Marrakesch befindet sich die gesamte Installation in ständigem Wandel.

> zur Projektwebsite: www.alhalqa-kinetics.com

Virtuelles Museum

Al Halqa Virtual

Internet-basiertes Archiv

Der virtuelle Platz Djemaa El Fna als kollektives Gedächtnis

 

Das immaterielle Weltkulturerbe des Djemaa El Fna, die über generationen tradierten mündlich überlieferten Geschichten sind nicht nur in den Köpfen der Hlaiqi gespeichert, sondern überleben noch im Gedächtnis jeder Großmutter, jedes Großvaters und in der Bevölkerung Marokkos. Im Laufe der Zeit ist der Überlieferungsfaden von einer Generation zur nächsten brüchig geworden.

 

Genau hier setzt die Idee des virtuellen Museum Djemaa El Fna ein. Fast jeder Haushalt in Marokko verfügt über ein Smartphone, also Möglichkeiten Bilder und Töne aufzunehmen. Mit dem virtuellen Museum Djemaa El Fna soll ein Aufruf in der Bevölkerung gestartet werden, die Geschichten der Großmütter und -väter aufzunehmen und per upload ins Archiv der Platform mit anderen Menschen zu teilen. Neben mehreren hundert Stunden an bereits existierendem Audio- und Videomaterial, tausenden von Fotografien, zahlreichen Texten und histormischen Bildern, wird Al Halqa Virtual durch die aktive Teilnahme seiner Besucher zum kollektiven Gedächtnis des immateriellen Kulturerbes in Marokko.

 

Neben der Sammlung dieser Erzählungen ist ein wichtiger Aspekt, den kulturellen Kontext der Hlaiqi des Djemaa El Fna aufzuzeigen und einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren. Viele der Halqas sind untrennbar mit bestimmten Regionen Marokkos verbunden. Über Dokumentionen werden diese Geschichten erzählt und durch die Platform in verschiedenen Sprachen zugänglich gemacht.

 

Stellen Sie sich vor, sie besuchen zum ersten Mal den Platz Djemaa El Fna in Marrakesch mit seinen ständig wechselnden zirzensischen Darbietungen. Vor Ihnen eröffnet sich eine zunächst fremde Welt - Hlaiqi, die inmitten der Menschenkreise mit ihren performativen Darbietungen ihre Zuschauer begeistern. Aber von was erzählen sie? Was genau passiert dort und woher entspringt diese über jahrhunderte tradierte Kulturform? Auf Al Halqa Virtual können Sie Informationen zu genau der Halqa, in der sie sich gerade befinden, abrufen. Sie haben die Möglichkeit, übersetzte Filmausschnitte der Darbietungen zu sehen, erfahren den kulturellen Zusammenhang und historischen Kontext.Welche Halqa gab es früher an genau dieser Stelle des Platzes und welche Darbietungen wurden vorgeführt? Sie erfahren, dass jede Halqa, sei es die der Geschichtenerzähler, Musiker oder Akrobaten eine fest definierte Stelle des Djemaa El Fna zugewiesen bekommt.

 

Durch übersetzte Filmausschnitte und Tondokumente entsteht ein „virtueller Führer“ des Platzes. Den Besuchern wird ein Blick hinter die performative Oberfläche der Vorführung gewährt, um die Bedeutung der immateriellen Künste für die marokkanische und menschliche Kultur hervor zu heben.

 

 

> zur Projektwebsite: www.alhalqa-virtal.com